Seit letztem Jahr gehört es zu meiner Tradition hier auf dem Blog mein Jahr privat und beruflich noch einmal Revue passieren zu lassen – als gedankliches Archiv für mich selbst aber auch als offenen Einblick in meinen Entwicklungsprozess für dich. Denn vielleicht regen dich meine Gedankengänge zu vergangenen Ereignissen und Entscheidungen zur eigenen Selbstreflexion an – oder helfen dir dabei, manche Emotionen besser zu sortieren. Für mich ist dieser Prozess der ganz bewussten Auseinandersetzung mit den vergangenen 365 Tagen ganz entscheidend für einen vollständigen Jahresabschluss und die darauffolgende (und teilweise daraus resultierende) Planung eines neuen (Geschäfts-)Jahres. So ein Jahresrückblick ist extrem herausfordernd und emotional: man erlebt das letzte Jahr gefühlt noch einmal – mit all seinen Höhen und Tiefen. Doch so schmerzhaft diese Auseinandersetzung auch ist, so viel Kraft steckt auch in ihr. Sowohl zum tatsächlichen Abschluss der Vergangenheit als auch zur aktiven (Neu-)Gestaltung der Zukunft! Nur wenn ich mir darüber im Klaren bin, was warum war, kann ich völlig (angst-)frei bestimmen, was sein wird. Und so jedes Jahr als “Lessons Learned” und nicht “Mistakes Made” annehmen.
2021 war für mich soweit ich mich erinnern kann das bisher anstrengendste Jahr – körperlich und geistig, beruflich und privat. Und dass ich diesen Jahresrücklick 2021 erst am 02.01.2022 schreibe, könnte nicht treffender sein. Denn mein 2021 war vor allem durch eines geprägt: Hektik, Stress und Zeitnot. Bis zum 22.12. war ich mit Projektarbeit beschäftigt, die nahtlos in die Weihnachtsvorbereitungen überging. Darauf folgten Heiligabend, die Weihnachtsfeiertage (mit den Familien) und die Zeit “zwischen den Jahren”, die für lange aufgeschobene Erledigungen und die Vorbereitungen für Silvester drauf ging. Und zack, schon sitze ich hier am zweiten Abend des neuen Jahres und finde zum ersten Mal (!) die Zeit und Ruhe, meine Gedanken und Listen der letzten Wochen zu sortieren und niederzuschreiben. Also dann: schnall dich an und komm mit auf meine Reise durch das rasante Jahr 2021!
Manchmal sind die Dinge, die wir nicht ändern können, genau die Dinge, die uns ändern.
Wie habe ich 2021 privat erlebt?
2021 begann mit dem schönsten und wertvollsten Geschenk und einem der wirklich wenigen Highlights: der Geburt unseres zweiten Sohnes Noah am 13.01.2021 und seiner gesunden Entwicklung.
Doch der kleine Kerl hat unser Familienleben von Beginn an auf den Kopf gestellt und meinem Mann und mir ziemlich schnell klar gemacht, was der Spruch “Ein Kind ist kein Kind” bedeutet. In meine neue Rolle als zweifache Mama musste ich mich sehr lange eingewöhnen und mit vielen Tränen (vor Erschöpfung, Wut, Überforderung u.v.m.) kämpfen. Hinzu kamen Gewichtszunahme- und Stillprobleme, die meinen positiven Start in das Jahr und die Babypause deutlich beeinträchtigten. Auch die Wiederaufnahme meiner Arbeit bzw. schrittweise Rückkehr ins Studio war deutlich erschwerter als 2018 mit Ben, da Noah zum einen ein anderer Charakter (unruhig, schreiend, ruhelos) und zum anderen aber auch das Studio kein wirklich kinderfreundlicher Ort mehr war (viele Lagerregale, keine Teppiche, wenig Platz). Ich war also (auch Corona-bedingt) an Zuhause “gefesselt” und konnte mich mit meinem Team lange Zeit nur virtuell austauschen. Projektarbeit war tagsüber nur stundenweise möglich und fand bis zum Beginn der Betreuung durch die Tagesmutter (8. Monat) größtenteils abends/nachts statt. Was selbstverständlich zu meiner allgemeinen Erschöpfung und Verschlechterung des Allgemeinzustands beitrug.
Noch dazu wurde Noah im 2. Lockdown geboren, der von Dezember 2020 bis Mai 2021 ging. Die Rückkehr in den Regelbetrieb der Kindertagesbetreuung (für den großen Bruder Ben) fand in unserem Landkreis erst wieder am 22.02.2021 statt, sodass wir die ersten Wochen Vollzeit mit Baby und Kleinkind zuhause verbrachten. Auch in der weiteren Entwicklung entfielen viele schöne und (positiv) prägende Mutter-Kind-Erlebnisse, die ich mit Ben hatte, wie Babymassage-, Krabbel-Gruppe und Besuche bei der Verwandtschaft bzw. gemeinsame Kurzreisen.
Die andauernde Corona-Risikolage in Deutschland führte auch dazu, dass mein Mann und ich uns ein weiteres Jahr einen Home Office Arbeitsplatz an unserem Esstisch im Wohnzimmer teilen mussten (= die Hälfte des Esstisches ist dauerhaft mit Monitor, Laptops und Livestream-Setup belegt). Das ist nicht nur kein schöner Anblick (in einer eigentlich zur Erholung dienenden Umgebung) sondern nach 2020 mittlerweile auch sehr belastend für mich. An einem normalen Arbeitstag steckt mein Mann 6-7 Stunden direkt neben mir in Meetings und ermöglicht mir so weder Ruhe für meine IG (Werbe-)Stories noch Fokus auf wichtige Projektarbeit (die u.a. deshalb nachts stattfand). Ein Zustand, der mich unbewusst im Laufe der Monate immer stärker belastete.
Auch familiär gab es 2021 ganz unabhängig von Corona etliche Schicksalsschläge, die die Erinnerungen an dieses Jahr für immer trüben und mich sehr bewegt haben. Umso mehr bin ich voller Dank für die Gesundheit meiner eigenen Familie und (größtenteils) mir selbst. Zumindest bis zum Herbst-/Wintereinbruch, seit dem wir alle vier aus dem Schniefen und Husten nicht mehr herauskommen und ein Infekt den nächsten jagt. Die Freude über die zuverlässige und geregelte Kinderbetreuung ab Oktober und das dadurch ermöglichte “Vollgas” im Frau Hölle Studio wurde dadurch jäh zerschmettert, da seit Anfang November Arztbesuche und “Kinderkrank-Tage” an der Tagesordnung stehen. Zwei Kinder bedeuten eben nicht nur doppeltes Glück sondern auch doppelte Sorgen, doppelte Arbeitsausfälle und dadurch für mich als selbstständige Unternehmerin doppelte Planungsunsicherheit. Auch etwas, das ich dieses Jahr erst akzeptieren lernen musste.
Weitere private Highlights waren 2021 definitiv die beiden Tapetenwechsel im Sommer: 2 Tage Europapark und 2 Wochen Kroatien. Bei beiden Aufenthalten und “Auszeiten vom Alltag” konnte ich viel Kraft tanken und positive Gedanken mitnehmen, die mich noch lange danach gestützt haben. Aber auch im Alltag sind wir am Wochenende immer öfter in die Natur “geflüchtet”, um aus dem geteilten Wohn- und Arbeitszimmer auszubrechen und einfach mal durchzuatmen. Bei den Wanderungen mit der ganzen Familie konnte ich die Seele baumeln lassen und alle Sorgen und Belastungen des Alltags für kurze Zeit vergessen.
Wie habe ich 2021 beruflich erlebt?
Privates und Berufliches liegen als selbstständige Unternehmerin ganz eng zusammen und so haben private Entwicklungen meistens direkte berufliche Konsequenzen. Die Geburt und Betreuung von Noah, der Lockdown und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen hatten einen starken Einfluss auf die Business Strategie und Roadmap 2021 für das Frau Hölle Studio:
- Projekt-Scope von 200% auf 50% reduziert, davon am Ende auch nur 20% geschafft (die ursprüngliche Roadmap wurde im Laufe des Jahres ca. 15x “nachjustiert”)
- keine/wenig Projekte mit Deadlines (da der Alltag für mich unplanbar war) > 2x Adventskalender
- Fokus auf Onlineshop, der ohne mich Einnahmen erwirtschaften und wachsen kann (und dessen neue Produkte ich flexibel von zuhause aus bewerben kann) > wöchentliche Launches
- neue Partnerprodukte für den Verkauf im Onlineshop > Schmincke Botanical/Boho Edition, Gouache Set
- monatlich erscheinende Produkt-Serien für den Verkauf im Onlineshop > COTM Sets
- Monetarisierung von Livestreams (die ich ebenfalls von zuhause aus durchführen kann) > Livestream-Serie #frauhoellelooselive
- Ausweitung von #gemeinsameinsam/#gemeinsamkreativ auf Kolleg:innen (für mehr Projekt-/Stil-Vielfalt und Entlastung bei mir)
Die Verknappung von Rohstoffen, Beeinträchtigung von Lieferketten und schlechte Verfügbarkeit von Produkten führte zudem dazu, dass wir viele Produkt Launches nicht wie geplant durchführen konnten oder bereits einige Wochen danach mit Lieferproblemen zu kämpfen hatten. Und auch die Zuverlässigkeit und Loyalität unserer Partner wurde leider immer löchriger, weshalb das gesamte Jahr stark geprägt war durch
viel Ärger und Unzufriedenheit.
Durch die wöchentliche Ausweitung unseres Onlineshop-Sortiments haben wir uns außerdem dazu entschlossen, unser bestehendes Lager bereits zu Beginn des Jahres zu optimieren (Investment in Regale mit mehr Tragkraft) und den vorderen Bereich des Studios (ehemaliger Workshop-Bereich) mit weiteren Regalen zu bestücken. Damit haben wir das Studio endgültig vorerst für Publikumsverkehr bzw. Workshops/Vermietungen geschlossen, aber dieser Schritt schien uns angesichts der unsicheren pandemischen Lage in Deutschland notwendig und sinnvoll.
Denn auch im zweiten Jahr der Pandemie hieß es leider sowohl im Studio, im gesamten Team als auch mit unseren Markenbotschafter:innen wieder
viel einsam, wenig gemeinsam.
Interne Treffen vor Ort im Frau Hölle Studio fanden 3x statt, offene Workshops o.Ä. ein weiteres Jahr gar keine. Unsere Monthly Team Meetups und Creative Nights wurden ohne Ausnahme als Google Meet organisiert – und auch die Frau Hölle Studio Weihnachtsfeier wurde wie bereits das Jahr zuvor eine virtuelle und kontaktlose “Ersatzveranstaltung”. Doch genau dieser Kontakt fehlt mir mittlerweile unheimlich und ist sicherlich ein Grund für meine wachsende, innere Unzufriedenheit. Über so lange Zeit keine Begeisterung in den Augen meiner Workshop-Teilnehmer:innen zu sehen und keine Umarmungen von Studio-Besucher:innen und Markenbotschafter:innen zu erhalten macht mürbe und lässt einen an der allgemeinen Sinnhaftigkeit zweifeln.
Als Arbeitgeberin war ich 2021 ständig neuen Regelungen und daraus resultierenden Anpassungen für die Sicherheit meiner Mitarbeiter ausgesetzt. Die Verantwortung für die Gesundheit von bis zu 9 Mitarbeiterinnen (und deren Familien) und “richtige Entscheidungen” v.a. im Vorweihnachtsgeschäft war zudem teilweise sehr belastend für mich.
Was in meiner Erinnerung an 2021 allerdings am meisten hängen bleibt ist der traurige, fortschreitende “Verfall” der deutschen Lettering und Watercolor Künstlerszene und damit einhergehend
viele Enttäuschungen und Vertrauensbrüche.
War 2020 seit dem ersten Lockdown geprägt von einer kollektiven Euphorie, gegenseitiger Unterstützung und gemeinsamen Projekten, hat sich bereits gegen Ende des Jahres abgezeichnet, was 2021 noch viel deutlicher werden sollte. Nach den sinnbildlichen Umarmungen wurden nach und nach die Ellenbogen und Fäuste ausgefahren und nur noch nach links und rechts geschielt.
An bedingungslose (!), wohlwollende (!!) gegenseitige Unterstützung war nicht mehr zu denken – aber vor allem die Art und Weise des kollegialen Umgangs miteinander erschreckte mich immer mehr. IG Shitstorms und Hasskommentare von anonymen Accounts erlebe ich als Frau Hölle regelmäßig und lassen mich mittlerweile ziemlich kalt (weil ich mir vorstelle, wie unglücklich und unzufrieden die Person dahinter sein muss). Pöbeleien in Livestreams, öffentliches Schlechtreden/Vergleichen von Produkten, Werbung für Konkurrenzprodukte unter Beiträgen der eigenen Produkte, das Verstecken von IG Stories, die eindeutige “Kritik” an mir bzw. meinen Produkten enthalten und zutiefst niveau- und respektlose Direktnachrichten (“hör auf rumzuheulen”) – alles wohlgemerkt von Kolleg:innen. Das ist die neue Realität 2021. Dazu gehören auch Allianzen, die ihren Hass/Neid gegenseitig durch Lügen nähren und eine allgemeine, für alle immer offensichtlicher werdende Vetternwirtschaft untereinander (hatte ich bereits 2020 festgestellt). Für mich manifestiert sich immer mehr der Eindruck eines aggressiven Ringkampfes (anstatt eines fairen Wettbewerbs), in dem es um jeden Follow, Like, Verlinkung und letztendlich Kaufabschluss geht. Aber genau hier fühle ich mich nicht mehr wohl, denn es entspricht so gar nicht meinen eigenen Wertvorstellungen und Definitionen von Unternehmertum.
Als deutsche Künstlerin/Unternehmerin aus eigener Kraft und ohne die gegenseitigen, täglichen Querverlinkungen innerhalb einer “Clique” Erfolg zu haben, macht einsam und schafft viele Missgönner. Ich habe 2021 viele gute Kolleg:innen verloren, weil ihnen der Erfolg zu Kopf gestiegen ist und sie sich von einer Position auf Augenhöhe in eine herabschauende Position begeben haben. Aus einstigem Dank/Demut für gemeinsame Projekte und eine “Aufteilung des Erfolgs” ist Selbstüberschätzung und Überheblichkeit geworden. Aus diesem Grund habe ich mich in den letzten 12 Monaten immer mehr aus der “Szene” entfernt und jeden weiteren (Vertrauens-)Verlust schweigend hingenommen. Diese negative Entwicklung hat mich sehr viel beschäftigt und zu einigen grundsätzlichen Veränderungen bzw. Schritten für 2022 geführt (dazu im nächsten Blogbeitrag mehr).
Mein Fazit 2021
Kraftlosigkeit · Wehmut · Dankbarkeit
Aus all den oben genannten Gründen bin ich nun, so kurz nach dem Jahresabschluss 2021, unheimlich kraftlos. Die Ereignisse (sowohl privat als auch beruflich) haben mich emotional aber auch körperlich leer gesaugt und ich möchte die ersten Wochen 2022 erst einmal zum Reset und Reload meiner Batterien nutzen. Mit ein wenig Wehmut blicke ich auf vergangene Jahre und den Beginn meiner Reise als Frau Hölle zurück, als die Kreativszene noch eine große Gemeinschaft war, in der jeder jeden unterstützt hat. Und ich (kinderlos!) Tag und Nacht meiner Leidenschaft nachgehen konnte.
Aber trotz aller negativen Schwingungen überwiegt 2021 für mich vor allem ein Gefühl: Dankbarkeit.
- Dankbarkeit für die Gesundheit meiner kleinen Familie und all meiner Mitarbeiterinnen im Frau Hölle Studio
- Dankbarkeit für die eigene Unversehrtheit
- Dankbarkeit für die Entdeckung neuer Produkte und Maltechniken (Gouache!)
- Dankbarkeit für die Unterstützung von so vielen Menschen durch Käufe und Empfehlungen
- Dankbarkeit für tägliche, persönliche Nachrichten an @frauhoelle voller Wertschätzung und Anerkennung
- Dankbarkeit für den Erfolg meines eigenen Unternehmens und die Anstellung weiterer Mitarbeiter:innen
- Dankbarkeit für das Leben und alle Möglichkeiten, das es mir zu meiner persönlichen Entfaltung bietet
…2021, dass du gut zu mir warst und mir gezeigt hast, wie ich meinen Weg 2022 beschreiten und meine eigene Zukunft und Selbstverwirklichung in die Hand nehmen soll.
Manchmal sind die Dinge, die wir nicht ändern können, genau die Dinge, die uns ändern.